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P. agnata

Oliver Gluchs
Welt der Fleischfressenden Pflanzen
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P. filifolia
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Pinguicula casperiana Crespo, Martínez-Azorín, Alonso & Sáez (2020)



Aus der Serranía de Cuenca, einem Kalkstein-Gebirge in der zentralspanischen Provinz Castilla-La Mancha östlich von Madrid, wurden in der Vergangenheit schon an mehreren Stellen Fettkrautpopulationen gefunden. Das Gebirge durchziehen große, zusammenhängende Waldgebiete, vorwiegend aus den Baumarten Pinus nigra (Schwarzkiefer), Quercus faginea (Portugiesische Eiche) und Quercus ilex (Steineiche) bestehend. Die Landschaft ist auch geprägt von tiefen Tälern und Schluchten mit speziellem Mikroklima, eine der bekanntesten ist die Hoz de Beteta.
Bisher wurden diese Fettkrautpopulationen aus dieser Gegend immer P. grandiflora oder P. dertosensis zugeordnet. 
2020 kamen Wissenschaftler der Universität Valencia rund um den spanischen Botaniker Manuel Crepso bei Untersuchungen von verschiedenen spanischen Fettkrautpopulationen zu dem Schluß, dass es sich bei den Sippen aus der Serranía de Cuenca um eine eigenständige Art handelt und beschrieben die Pflanzen unter dem Namen Pinguicula casperiana (zu Ehren des deutschen Botanikers Jost Siegfried Casper, der mit seiner Monographie zur Gattung Pinguicula in den 1960er Jahren ein Standardwerk über die damals weltweit bekannten Fettkrautarten verfasste). Allerdings zeigen die molekulargenetischen Untersuchungen eine starke Verwandschaft zu P. dertosensis und die beschriebenen morphologischen Unterschiede zu P. dertosensis sind nur minimal. Die Behauptung von Crespo et al. P. dertosensis würde nur eine karnivore Blattform aufweisen, während P. casperiana anisophylle Sommerblätter (zwei unterschiedlich geformte karnivore Blatttypen) bildet, spiegelt nicht ganz die Realität. Es gibt Populationen von P. dertosensis, die deutliche Unterschiede von karnivoren Blatttypen aufweisen, während bei anderen Populationen ein Unterschied nur in der Blattlänge sichtbar wird. Daher kann die Eigenständigkeit von P. casperiana durchaus kritisch betrachtet werden.
Die Pflanzen wachsen an dauerhaft feuchten oder wasserüberrieselten vertikalen Kalksteinwänden, die meist schattig gelegen sind. Bisher wurden Populationen dieser Art zwischen 950 und 1550 m ü. M. gefunden.




P. casperiana überdauert die kalten Wintermonate in Form eines Winterknospe, die auch als Hibernaculum bezeichnet wird. Diese Winterknospe wird schon im Sommer ausgebildet, vielleicht als Reaktion auf die recht trockenen Bedingungen Ende des Sommers und als Schutz vor den sehr kalten Bedingungen während des Winters in den Höhenlage der Serranía de Cuenca. Im März/April treiben die ersten karnivoren Blätter aus. Laut den Autoren ist die Art subheterophyll, was bedeutet, dass die Art 2 verschiedene karnivore Blatttypen ausbildet, die sich laut den Autoren aber nur in ihrer Größe unterscheiden. Die Blätter der "Frühjahrsrosette", die sich vom Austrieb ium Frühjahr bis etwa zur Blütenknospenbildung erstreckt, werden 2 bis 5 cm lang und bis zu 2 cm breit, sind länglich-verkehrt-eiförmig und laufen am Blattende leicht spitz bis spitz zu.  Etwa ab dem Zeitpunkt der Blüte werden die "Sommerblätter", die mit 3,5 bis 7 cm länger und mit 1 bis 2,8 cm auch etwas breiter sind und eine länglich-verkehrt eiförmig bis länglich-elliptische Form haben. Die Blattenden sind leicht spitz zulaufend bis rundlich. Beide Blattformen sind auf der Oberseite dicht mit Drüsenhaaren besetzt und der Blattrand ist nach oben gebogen. 


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Die Hauptblühperiode von P. casperiana erstreckt sich von Mitte April bis Mitte Mai. Dabei können 1 bis 8 Blüten pro Pflanze ausgebildet werden, wobei der Blütenstiel eine Länge von 4 bis 8 cm, selten bis 10 cm erreicht. Die Blütenstielbasis ist hellgrün, danach wird der Blütenstiel rotbraun, um dann zur Blüte hin eine dunkelviolette Farbe anzunehmen. Der Blütenkelch ist zweilippig, die Kelchblätter sind meist dunkelviolett oder braunviolett gefärbt und auf der Oberseite der Kelchblätter sind vereinzelt gestielte Drüsenhaare vorhanden. Die Kelchblätter haben eine länglich-lanzettliche Form mit meist abgerundetem oder abgeflachtem Ende. Die Blütenkrone ist ebenfalls zweilippig, wobei Ober- und Unterlippe einen Winkel zwischen 70 und 120 Grad bilden. Die Petalen der Oberlippe sind 6 bis 7 mm lang und 5 bis 6 mm breit, verkehrt-eiförmig, überlappen sich nicht und sind leicht nach hinten gebogen. Die Farbe der oberen Kronblätter ist lila bis violett. Die Kronblätter der Unterlippe sind größer, die seitlichen Kronblätter sind 8 bis 10 mm lang und 4 bis 6 mm breit, der Mittellappen mit 9 bis12 mm länger und mit 8 bis 10 mm auch breiter. Die Form der Kronblätter ist rundlich bis länglich verkehrt-eiförmig. Die Farbe der Unterlippenkronblätter ist außen lila bis violett, die Basis ist je nach Blüte unterschiedlich groß weiß gefärbt. Die Oberseite der Kronblätte ist dicht mit weißlich-violetten Härchen besetzt. Die trichterförmige Kronröhre ist violett gefärbt mit parallel verlaufenden violetten Adern und der Kronröhreneingang ist relativ groß und breit. An die Kronröhre schließt sich der braun-violett gefärbte Sporn an, der bis zu 13 mm lang wird (selten bis zu 16 mm) und gerade bis leicht gebogen ist.
Laut den molekulargenetischen Untersuchungen von Crespo und Kollegen scheint die Art am engsten mit P. dertosensis verwandt zu, allerdings sind die morphologischen Unterschiede nicht sehr groß. P. casperiana besitzt 2n = 64 Chromosomen.


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Da es sich bei P. casperiana um eine temperierte Art handelt, die mit einer Winterknospe überwintert, muss man ab dem Spätherbst dafür sorgen, dass die Temperaturen nachts bei unter 10 °C liegen. Das Überwintern während der Wintermonate sollte bei Nachtemperaturen von nicht höher als 3 und 5° C erfolgen. Bei höheren Temperaturen ebsteht die Gefahr, dass die Pflanzen wieder austreiben und dann meist absterben. EIne Kultur im Freiland unter mitteleuropäischen Bedingungen ist auch möglich, da die Art frostresistent ist. Für die Kultur ist ein luftdurchläßiges Substrat zu bevorzugen. Insbesondere während der Ruhephase ist Staunässe zu vermeiden, da sonst die Gefahr besteht, dass die Winterknospen von Pilzen befallen werden und verfaulen.