|
Pinguicula
esseriana
Kirchner (1981)
Im
Jahr
1981 wurde vom deutschen Botaniker Bernd Kirchner vom
Botanischen Garten Bochum eine neue Fettkrautart
beschrieben. Ursprünglich stammte das Material, welches
zur Artbeschreibung verwendet wurde, von Alfred Lau.
Dieser hatte dann Material zuerst an den Botanischen
Garten Linz in Österreich sowie an den deutschen
Kakteensammler Gerhard Köhres geschickt. Letzterer gab
Pflanzen davon an den Botanischen Garten in Bochum ab,
allerdings mit der falschen Standortangabe. Die
gesammelten Pflanzen stammten ursprünglich aus der
Sierra Salamanca (Teil der Sierra Madre Oriental) nahe
dem Dorf San Vicente (zur Gemeinde Jaumave gehörend) im
mexikanischen Bundesstaat Tamaulipas, wie Franz Speta
und Franz Fuchs vom Botanischen Garten Linz in ihrem
Artikel 1982 mitteilten. P. esseriana ist nach
dem ersten Direktor des Botanischen Gartens der
Ruhr-Universität Bochum, Herrn Professor Karl Esser,
benannt.
Bei den Pflanzen, die in den 1980er Jahren der
deutsche Botaniker Paul Debbert von einer Sammelreise
aus Mexico mitbrachte und diese 1991 als neue Art
unter dem Namen P. jaumavensis beschrieb,
handelt es sich nur um ein Synonym von P.
esseriana. Die Pflanzen stammen auch aus dem
gleichen Gebirgszug wie die Typuspflanzen von P.
esseriana, nur etwa 20 km weiter nördlich.
P. esseriana ist bisher vorallem von
Standorten aus der östlichen Sierra Madre Oriental im
Bundesstaat Tamaulipas bekannt. Bei einer Population
im Bundesstaat Querétaro handelt es sich sehr
wahrscheinlich auch um P. esseriana,
dementsprechend reicht das Verbreitungsgebiet der Art
noch um einiges weiter in den Süden der Sierra Madre
Oriental.
Durch die sehr variablen Eigenschaften, insbsondere
denen der Blüte, ist eine Unterscheidung zu der nahe
verwandten Art P. ehlersiae nicht immer
einfach. Der mexikanische Botaniker Sergio Zamudio
sieht in P. ehlersiae auch nur eine
Varietät von P. esseriana. Im südlichen
Verbreitungsgebiet beider Arten sind einige Sippen
geographisch auch nicht weit voneinander entfernt zu
finden. Die von Zamudio definierten
Unterscheidungsmerkmale zwischen den beiden Arten
treffen auch nicht immer bei allen Populationen
vollständig zu.
Die
Art
kommt in semi-ariden Klimaten mit ausgeprägter
Wintertrockenheit vor. Die Jahresniederschläge in diesen
Gebieten liegen selten über 600 mm. Die Vegetation
zeichnet sich durch an trockene Standortbedingungen
angepasste Pflanzen aus. Diese besteht meist aus
Buschvegetation, Sukkulenten und Kakteen. An südlicheren
Standorten findet man die Art auch in
Eichen-Pinienwäldern. P. esseriana wächst
entweder direkt auf Kaklfelsen (wobei die Wurzeln Halt
in kleinen Spalten suchen), in Moospolstern auf
Kalkstein oder auch am Fuß von Kalkfelsen in wenig
erodiertem Boden an meist schattigeren Stellen.
P.
esseriana gehört zum tropisch-heterophyllen
Wuchstyp. Während der Trockenzeit zwischen November und
April bildet die Art eine Winterrosette, bestehend aus
30-40 nicht-karnivoren, sukkulenten,
länglich-keilförmigen Blättern mit rundem Blattende. Die
Blätter werden bis zu 8 mm lang und können grün oder
rotbraun gefärbt sein. Ab etwa Mai, abhängig von den
lokalen Wetterbedingungen, erscheinen die ersten
Sommerblätter. Die Sommerrosette besteht aus 10 bis 20
breiteren spatelförmigen bis verkehrt-eirunden Blättern,
die im äußeren Blattbereich einen nach oben gebogenen
Blattrand aufweisen. Die Sommerblätter werden zwischen 1
und 2,5 cm lang und 0,5 bis 1,3 cm an der breitesten
Stelle. Die Oberseite der Blätter ist dicht mit
Drüsenhaaren besetzt. Die Blattfarbe variiert zwischen
grün, rotbraun und rötlich, wobei die Blattunterseite
eher cremefarben bis weiß ist. Das Blattende ist
rundlich oder leicht spitz zulaufend.
P.
esseriana blüht ausschließlich aus der
Winterrosette. Die Blütezeit erstreckt sich von Mitte
Januar bis Ende März, vereinzelt auch bis in den April
hinein. Die Pflanzen bilden 1 bis 4 Blütenstiele
während der Blühperiode aus, die bis zu 11 cm lang
werden können. Die Blütenkrone ist in Ober- und
Unterlippe unterteilt. Die Kronblätter weisen eine Länge
von 5 bis 14 mm auf und können 3 bis 12 mm breit sein,
wobei die beiden Petalen der Oberlippe etwas kleiner
sind als die drei Petalen der Unterlippe. Die Form der
Kronblätter ist sehr variabel und reicht von schmal
keilförmig bis breit verkehrt-eiförmig. Die Blütenfarbe
innerhalb der Art ist ebenfalls sehr variabel,
allerdings ist das Farbspektrum bei lokalen Populationen
(von der Population bei Ciudad Victoria abgesehen) eher
gering. Bisher sind weiße, blaßviolette, rosafarbene,
violette oder magentafarbene Blüten bekannt. Auf der
mittleren Petale der Unterlippe befindet sich bei den
meisten Blüten ein mehr oder weniger stark ausgeprägter
höcker- oder blasenförmiger Gaumen (aus 2 Teilen
bestehend). Der Gaumen (und manchmal auch etwas darüber
hinaus gehende Bereiche) ist bräunlich, grünlich oder
gelb gefärbt. Der Gaumen ist mit länglichen Härchen
besetzt, die verschiedene Farben haben können. Je nach
Population ist auf der Oberseite der Petalen zum
Kronröhreneingang hin eine mehr oder weniger starke
Behaarung vorhanden. Die Härchen sind weiß gefärbt. Die
Kronröhre ist kurz, bis 3 mm lang, und trichterförmig.
Der sich anschließende Sporn kann 1,5 bis 2 cm (manchmal
sogar bis 3 cm) lang werden und steht leicht von
der Kronröhre ab. Der Sporn ist zuerst weiß bis
blaßgelb, danach eher bräunlich oder rotbraun gefärbt
und ist mit rotbraunen bis rotvioletten Adern
durchzogen. Die Oberseite des Sporns ist vereinzelt mit
Drüsenhaaren besetzt.
P. esseriana ist in Kultur recht anspruchslos. Da
am Naturstandort von November bis April sehr trockene
Bedingungen vorherrschen, sind während dieser Zeit die
Pflanzen am besten trocken bis wenig feucht zu
kultivieren. Ab Mai sollte man das Substrat etwas
feuchter halten. Nach Erscheinen der Sommerblätter
können die Pflanzen dauerhaft feucht kultivert werden.
Die Kultur in dauerhaftem Anstauverfahren ist nicht
empfehlenswert, da hier durch die Staunässe die Wurzeln
leicht faulen können. Ab Oktober sollte man die
Wassergaben wieder reduzieren. Als Kultursubstrat eignet
sich ein lockeres, wasserdurchlässiges Substrat. Die
Verwendung von reinem Vermiculit als Substrat zeigt sehr
gute Kulturerfolge.
|