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Pinguicula
reichenbachiana
Schindler (1908)

 
Bereits
seit
Anfang des 19. Jahrhunderts wurden Sippen aus dem
Roya-Tal im französisch-italienischen Grenzgebiet
beschrieben, die auf Sandstein und Kalkfelsen vorkommen.
Zuerst als P. grandiflora eingestuft, danach als
eine Varietät von P. leptoceras angesehen (P.
leptoceras var. longifolia), beschrieb
dann Johann Schindler 1908 die Sippe als neue Art und
und benannte sie als P. reichenbachiana (zu
Ehren des deutschen Botanikers Ludwig Reichenbach).
Casper kam in den 1960er Jahren zu dem Schluß, dass es
sich bei diesen Sippen nur um eine Unterart von P.
longifolia handelt und stufte diese als P.
longifolia ssp. reichenbachiana neu ein.
Im Gegensatz dazu sehe ich diese Sippe, die auch noch
weiter östlich im Ausläufer der Seealpen zum ligurischen
Appennin vorkommt, allerdings als eigenständige Art an,
was jüngere molekulargenetische Studien bestätigen. Die
von Casper angegebenen Sippen in den Apuanischen Alpen
und dem toskanischen Appennin wurden mittlerweile als
eigenständige Arten beschrieben.
 

Obwohl einige Standorte nur wenige Kilometer vom
Mittelmeer entfernt sind und daher eher selten Frost
im Winter vorkommt, gehört die Art zum
temperiert-homophyllen Wuchstyp, was heißt, dass die
Pflanzen im Spätsommer ein Hibernaculum zum
Überwintern ausbilden und dann im Frühjahr wieder
Sommerblätter bilden.
Die Sommerblätter haben eine verkehrt-eirunde bis
lanzettliche Form und können 6-8 cm lang und 1 bis 1,2
cm breit werden. Die Blattfarbe variiert von hellgrün
bis dunkelgrün, vereinzelt auch rotbräunlich. Nach dem
Austreiben der Sommerblätter im März bilden die
Pflanzen schon im August wieder Winterknospen aus.
Dieser frühe Zeitpunkt hängt wahrscheinlich damit
zusammen, dass viele Standorte im Sommer trockener
werden und die Pflanze die heißen und trockenen Phasen
besser mit dem Hibernakulum überstehen können. Da die
Art recht zahlreiche Tochterknopsen bilden, wachsen
viele Pflanzen in einem "Pflanzenklumpen" zusammen (da
die Adventivknospen um die Mutterpflanze im Frühjahr
neue Sommerblätter bilden).
 
P.
reichenbachiana
blüht ab Anfang/Mitte April bis Mitte Juni (die
von Schindler angegebene Blütezeit (Mai bis August)
stimmt nicht mit Beobachtungen an verschiedenen
Standorten überein). Die Blütenkorolle ist zweilippig.
Die Oberlippe bildet meist einen Winkel von 24 bis 45°
zur Unterlippe aus. Die Kronblätter sind
dunkelblauviolett bis hellviolett gefärbt, wobei die 3
Kronblätter der Unterlippe in der Regel einen weißen
Fleck aufweisen. Die Kronblätter der Unterlippe sind
verkehrt-eiförmig und stumpf zulaufend. Meist überlappen
sich die Kronblätter etwas. Im Vergleich zu den
Kronblättern der Oberlippe sind die Lappen der
Unterlippe 2 bis 3 Mal so groß. Der Schlundeingang ist
stark behaart. Inklusive Sporn erreicht die Blüte eine
Größe von 2,5 bis 3,5 cm. Die Kronröhre läuft konisch zu
und geht dann in den Sporn über, der etwa 0,8 bis 1,2 cm
lang wird.
 
 
P.
reichenbachiana kann man erfolgreich in einem
Kalthaus oder im Freien kultivieren. Da die Pflanzen im
Spätsommer bereits ihre Winterknospen bilden, muss man
aufpassen, dass man danach bis zum Frühjahr das Substrat
nur wenig feucht hält. Eine Fungizidbehandlung gegen
Pythium- und Phytophthora-Pilze ist von Vorteil. Beim
Substrat sind die Pflanzen wenig wählerisch. In
kalkhaltigem Boden oder auch in reinem Torf lassen sich
die Pflanzen über Jahre ohne Probleme kultivieren. Die
Wintertemperaturen sollten nicht mehr als 5°C betragen,
sonst treiben die Winterknospen zu früh aus.
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